Das Physikstudium – Ziele, Struktur und wesentliche Komponenten
Ziele des Physikstudiums
Physikerinnen und Physiker beschreiben die Natur und versuchen zu verstehen, wie sie funktioniert, wie alles miteinander zusammenhängt. Zur Beschreibung setzen sie mathematische Modelle ein, mit denen quantitative Vorhersagen für Naturvorgänge gemacht werden können. Die gewonnene Erkenntnisse ermöglichen die Entwicklung von neuartigen Produkten für jeden von uns aber auch für die Lösung der "Großen Herausforderungen unser Gesellschaft". Physik-Bachelor und Master sind die Studiengänge, die mit Abstand von den meisten Studierenden gewählt wird, die sich für Physik interessieren. Sie sind sehr vielseitig und bieten besonders im Master viele unterschiedliche Vertiefungsmöglichkeiten.
Das Studium führt einerseits in die bekannten Modelle zur Beschreibung der Natur ein und vermittelt die Fähigkeit mit den zugehörigen mathematischen Methoden umzugehen. Andererseits erwerben Studierende die Fähigkeit systematisch zu experimentieren und Daten zu analysieren, um neue Effekte zu entdecken, und die Grundlage für weiterführende Modelle zu schaffen. Im Masterstudium werden Studierende an die Arbeit in der aktuellen internationalen Forschung herangeführt. Denn auch heute ist schließlich noch nicht alles über die Natur bekannt, wir wissen z.B. wenig über Dunkle Materie und verstehen noch nicht, wie die Supraleitung in High-Tc Materialien funktioniert, um nur zwei Beispiele zu nennen.
Technische Verfahren und die Entwicklung von Produkten ist nicht Gegenstand des Physikstudiums, Diese Aspekte finden sich hauptsächlich in Ingenieurstudiengängen und zum Teil in den Physikalischen Technologien an Fachhochschulen. Dennoch erwerben Physiker implizit auch Kompetenzen in Bezug auf Konstruktion und Design, wenn sie in der Forschungsphase ihres Masterstudiums neue Experimente entwickeln und optimieren. Auch Informatik-Kompetenzen die bei der Entwicklung großer Computerprogramme und dem Umgang mit großen Datenmengen auf leistungsstarken Rechenclustern erworben werden, gehören zum Repertoire vieler Physiker. Mit der analytischen, modellbildenden, erkenntnissuchenden Orientierung und den implizit erworbenen Ingenieur- und Informatik-Kompetenzen gehören Physiker zu sehr gefragten Arbeitskräften auf dem Arbeitsmarkt.
Im Bachelorstudium erlernt man die wesentlichen bekannten Theorien zur Beschreibung der Natur. Begonnen wird mit der Klassischen Physik und ihren Teilgebieten - Mechanik, Thermodynamik, Elektrodynamik und Optik. Ab dem 3. Semester folgen folgen Atom-, Molekül-, Kern-, und Festkörperphysik. Diese Gebiete werden entlang ihrer historischen Entstehung und anhand vieler Experimente diskutiert. Neben diesem Zugang der Experimentalphysik gibt es die Theoretische Physik in der die mathematischen Modelle im Detail behandelt werden, ihre inneren Konsistenz aufgezeigt wird und komplexere Probleme gelöst werden. Aus gutem Grund startet die theoretische Physik etwas später im 2. oder 3. Semester damit man die Mathematik, die man dafür braucht, schon gelernt hat.
Die Mathematik ist wichtiges Handwerkszeug für den Physiker und wird ab dem ersten Semester systematisch aufgebaut. Die experimentellen Fähigkeiten werden in den Praktika erworben, die in den ersten 3-4 Semestern mit dem Grundpraktikum beginnen, sich durch alle Gebiete der klassischen Physik ziehen und dann im Fortgeschrittenen-Praktikum die Moderne Physik erreichen. Hier experimentieren die Studierenden bereits mit komplexen Apparaturen und lernen den Einsatz der einschlägigen Messmethoden. Während das Bachelorstudium am Anfang klar strukturiert ist und viele aufeinander aufbauende Veranstaltungen enthält, wird das Studium zum Master hin immer freier und bietet viele Möglichkeiten zur individuellen Vertiefung und Schwerpunktsetzung. Im letzten Jahr des Master, der s.g. Forschungsphase, arbeiten die Studierenden im Team mit Doktoranden und Postdocs an Forschungsprojekten in einem selbst gewählten Spezialgebiet. Kurz vor der Bachelorarbeit fällt meistens die Entscheidung, ob man Theoretiker oder Experimentalphysiker werden möchte.
Nach dem Studium stellt sich als erstes die Frage, ob man promovieren oder direkt in die Industrie gehen möchte. Beide Wege sind ähnlich erfolgversprechend, in ihrem Charakter aber etwas unterschiedlich. Wer gerne noch 3-4 Jahre forschen möchte und sich in der Masterarbeit geschickt angestellt hat findet oft leicht eine Promotionsstelle. Wenn man eine Karriere in der Industrie plant, kann aber auch die Weiterqualifikation im Unternehmen ein direkter Weg zu einer verantwortungsvollen und gut bezahlten Stelle sein.
In den ersten Jahren nach dem Studienabschluss geht es im Wesentlichen darum eigenständig zu arbeiten, Verantwortung für größere Projekte zu übernehmen und diese zum Erfolg zu führen. Dies können wissenschaftliche Projekte an der Hochschule oder an einem Forschungsinstitut oder aber technologische Entwicklungsprojekte in einem Unternehmen sein. In beiden Fällen sammelt man viele wertvolle Erfahrungen und entwickelt sich auch persönlich weiter.
Eine Karriere an der Hochschule als Professor oder im wissenschaftlichen Mittelbau ist in der Regel nicht planbar. Die Möglichkeit dazu ergibt sich ggf. im Laufe von Promotion und Habilitation, je nachdem wie erfolgreich die eigenen Forschungsprojekte sind. Eine Hochschulkarriere ist von langen Zeiten auf befristeten Stellen und Stipendien geprägt und birgt so manche Unsicherheit. Hierüber nachzudenken wäre bei Studienbeginn noch viel zu früh. Aber: nichts ist ausgeschlossen und in der Physik ist der Arbeitsmarkt nicht so überlaufen wie in vielen anderen Fächern.
In der Industrie finden Physiker leicht eine Stelle. Hier arbeiten Physiker oft auf Stellen, die gleichermaßen von Ingenieuren und Physikern ausgefüllt werden können. Durch die relativ universelle Einsetzbarkeit von Physikern in technologischen Bereichen ist der Arbeitsmarkt für Physiker sehr gut und die Arbeitslosenquote gering.
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Die Physik ist in Experimentalphysik und Theoretische Physik gegliedert. Experimentalphysiker konzipieren Experimente, bauen die Geräte dafür, führen die Experimente durch, werten die Daten aus und interpretieren die Ergebnisse anhand der bekannten Theorien. Dadurch werden die Vorhersagen von Theorien bestätigt oder widerlegt, und die Gültigkeitsbereiche der Theorien untersucht. Experimentalphysiker können auch ganz neue Effekte entdecken, für die es noch keine Vorhersagen gibt. Im Studium werden die grundlegenden Gebiete der Physik entlang ihrer historischen Entwicklung zusammen mit den bedeutenden Experimenten dazu diskutiert und oft anhand von Demonstrationsexperimenten veranschaulicht. In der Experimentalphysik werden auch die wichtigsten theoretischen Modelle der Physik das erste mal im Studium besprochen. Später werden diese dann in den Praktika und in der Theoretischen Physik wieder aufgegriffen und vertieft.
In den Praktika wird systematisches Experimentieren, Dokumentieren von Messergebnissen, Auswahl und Einsatz von Messgeräten, Auswerten von Messdaten, Interpretation der Ergebnisse und schriftliche Dokumentation des Experimentes trainiert. Dazu beginnt man mit ganz einfachen Experimenten, die sich durch alle Gebiete der Physik ziehen. So kann man alle Messgeräte kennenlernen und die Modelle der Klassischen Physik rekapitulieren und auf konkrete Fälle anwenden. Hat man Routine mit dieser systematischen Vorgehensweise und beherrscht die Berechnung der experimentellen Unsicherheiten (Messfehler), dann kann man sich im Fortgeschrittenenpraktikum Fragestellungen der Modernen Physik zuwenden und Atome, Moleküle, Kerne und Festkörper mit spektroskopischen Methoden untersuchen. Die Messapparaturen werden immer komplexer, das Experiment in seiner Gesamtheit schwieriger zu überblicken und die gewonnenen Daten abstrakter. Auch die Dokumentation der Ergebnisse nähert sich immer mehr den Standards, die in Bachelor und Masterarbeiten erwartet werden. In diesem Sinne sind Praktika eine systematische Vorbereitung auf das eigenständige Experimentieren in der Forschung.
Die Theoretische Physik baut die mathematischen Modelle ganz systematisch auf - oft ausgehend von den ganz grundlegenden Gleichungen in der Physik (ab initio). In den Vorlesungen werden alle wichtigen Schlussfolgerungen systematisch durchgerechnet, was oft einige Mathematik und viel Durchhaltevermögen bei den Rechnungen erfordert. Hat man das aber einmal im Studium gemacht, hat man großes Zutrauen zu den Theorien gewonnen und kennt ihre Anwendbarkeit und Einschränkungen. Auch hat man die Sicherheit im Umgang mit Mathematik als Physiker gewonnen, um später selbst mathematische Modelle weiterentwickeln zu können. Im Studium werden meistens analytisch lösbare Beispiele behandelt, später in der Forschung werden komplexe Probleme mit ausgeklügelten numerischen Verfahren gelöst. Hierfür ist es hilfreich, wenn man sich im Studium zusätzliche Mathematikkenntnisse aneignet, programmieren lernt und Numerische Mathematik kennenlernt. So tief steigen aber oft nur diejenigen ein, die Theoretiker werden wollen.
In der Mathematik steht am Anfang die Analysis und die Lineare Algebra im Vordergrund. Beginnend mit Folgen und Reihen nähert man sich der Differential und Integralrechnung. Zuerst in einer Dimension später dann in mehreren Dimensionen. Alle Sätze werden bewiesen und man muss sich wie ein Mathematiker mit der präzisen Formulierung von mathematischen Zusammenhängen auseinandersetzen. Dieser präzise Umgang mit Mathematik hilft einem aber unmittelbar in der Physik, wenn es darum geht mit welchen mathematischen Objekten und Operationen eine physikalischen Modell aufgebaut werden kann. Im Laufe der Semester lernt man immer kompliziertere und ungewohnte mathematische Konstrukte kennen. Sie werden benötigt, um beispielsweise die Quantenmechanik formulieren zu können. So begleitet einen die Mathematik durch die ersten 4 Semester. Später hat man Freiheiten sich weiter zu vertiefen oder eben auch nicht und manches mathematische Konstrukt lernt man nur in der Theoretischen Physik kennen. Alle Studierenden setzen sich mit Differential-, Integralrechnung, gewöhnlichen Differentialgleichungen, komplexen Zahlen und Funktionen, Vektorräumen und linearen Gleichungssystemen auseinander.
Das Angebot an Wahlmöglichkeiten unterscheidet sich von Hochschule zu Hochschule. Im Bachelorstudium ist nicht viel Zeit für freie Auswahl, da die wichtigen Grundlagen erlernt werden müssen. In der Größenordnung 10%-20% der Module können selbst gewählt werden - manchmal als Wahlfach organisiert, manchmal als frei Kombination verschiedener Module. Das Angebot reicht von ersten Spezialisierungen in der Physik über Mathematik, Informatik und Chemie bis hin zu den Ingenieurwissenschaften. Mit Wahlveranstaltungen kann man sein Kompetenzspektrum gezielt erweitern und sich wertvolle zusätzliche Fähigkeiten für die Bachelor- und Masterarbeit und natürlich für den späteren Beruf aneignen. Die Erfahrung zeigt, alles was man mal gelernt hat wird man irgend wann einsetzen können und damit anderen einen Schritt voraus sein. Im Wahlbereich ist es durchaus richtig sich einfach von seinen Interessen leiten zu lassen.
In der Forschungsphase ist man endlich so weit vorbereitet, dass man in der aktuellen Forschung mitarbeiten kann. Man kann nun auf das bekannte Grundlagenwissen der Physik aufbauen und sich auch in sehr komplizierte Spezialgebiete einarbeiten. In erstaunlich kurzer Zeit erreicht man in speziellen Fragestellungen einen Wissensstand, den nur wenige Wissenschaftler auf der Welt haben und kann im Rahmen eines Teams an aktuellen Forschungsfragen arbeiten. Man übernimmt Verantwortung in groß angelegten Experimenten und sammelt selbstständig Messdaten, die sich zusammen mit den Ergebnissen anderer zu einem kohärenten Bild zusammenfügen. In der Theorie werden oft Berechnungen mit großen Programmen auf Höchstleistungsrechenclustern durchgeführt. Dabei geht es darum, Vorhersagen für Experimente zu berechnen und Beispiele von immer komplizierteren Systemen mit ab initio Methoden anzugehen. Oft werden auch die Modelle Schritt für Schritt weiterentwickelt und man kann selbst Programmcode für ein Projekt beitragen. Innovativ sind dabei nicht die Programmiersprachen sondern die numerischen Methoden und die physikalischen Zugänge und Näherungen.
Im Bachelorstudium erlernt man die wesentlichen bekannten Theorien zur Beschreibung der Natur. Begonnen wird mit der Klassischen Physik und ihren Teilgebieten - Mechanik, Thermodynamik, Elektrodynamik und Optik. Ab dem 3. Semester folgen folgen Atom-, Molekül-, Kern-, und Festkörperphysik. Während man in den Experimentalphysikvorlesungen viele Experimente sieht und eine anschauliche Vorstellung von den grundlegenden Effekten bekommt, werden in der Theoretischen Physik die mathematischen Modelle systematisch aufgebaut. Die theoretische Physik startet etwas später im Studium damit man die Mathematik, die man dafür braucht, schon gelernt hat. Praktika begleiten einen das ganze Bachelorstudium über - zuerst im Grundpraktikum mit einfachen Versuchen, um die Geräte und das systematische Vorgehen des Experimentators kennenzulernen, später im Fortgeschrittenenpraktikum mit anspruchsvollen experimentellen Aufbauten und komplizierteren Fragestellungen aus der modernen Physik.
Im Masterstudium beginnt man sich zu spezialisieren, legt sich auf Theorie oder Experiment fest und sucht sich ein Spezialgebiet in dem man forschen möchte. Jetzt gibt es kaum noch Pflichtvorlesungen und man kann sich selber aus den reichhaltigen Spezialvorlesungen und Seminaren aussuchen, was einen interessiert und was einen gut auf die eigene Forschungstätigkeit vorbereitet. Am Ende des zweiten Semesters im Master beginnt man mit der Forschungsphase, die ein ganzes Jahr dauert. An den meisten Unis ist sie in zwei Vertiefungsmodule und die Masterarbeit aufgeteilt. In dieser Zeit arbeitet man in einer forschenden Arbeitsgruppe zusammen mit Doktoranden und internationalen Gästen an einer Fragestellung der aktuellen Forschung. Wenn man Glück hat, entsteht aus der eigenen Arbeit eine Publikation, die in einer internationalen Fachzeitschrift veröffentlicht wird.
Ungefähr die Hälfte aller Physikabsolventen beginnen eine Promotion nach ihrem Master. Wenn die Forschung Spaß macht und man eine Stelle als Doktorand angeboten bekommt, sagt man gerne ja, um noch 3-4 Jahre in der Forschung weiterzuarbeiten. Die andere Hälfte der Absolventen geht in die Industrie und findet leicht einen Job in Forschung und Entwicklung, die in den Unternehmen meist viel anwendungsorientierter ist. Physiker gehen oft in die gleichen Jobs wie Ingenieure, obwohl ihr Studium ganz anders gestaltet ist.